Die Coronapandemie hat unser aller Leben in sämtlichen Bereichen auf den Kopf gestellt. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind weltweit spürbar – aber auch die Effekte auf wirtschaftliche Bereiche erweisen sich als enorm. Die Corona-Rezession in den Jahren 2020 und 2021 dient hier als Extrembeispiel: Lockdown, Kontaktbeschränkungen und Quarantänepflichten haben die Zusammenarbeit in der Arbeitswelt maßgeblich verändert.
In Korrelation steht diese Veränderung mit dem Thema Digitalisierung, denn die Einschränkungen der Coronapandemie erfordern an vielen Stellen digitalisierte Prozesslandschaften, neue Geschäftsmodelle und eine ausgeprägte technische Infrastruktur. Digitale Transformation in Deutschland wurde in der Vergangenheit jedoch häufig kritisch betrachtet und oftmals als zu langsam voranschreitend bewertet. Um eine Bestandsaufnahme zum aktuellen Stand und den jüngsten Entwicklungen vornehmen zu können, betrachten wir im Folgenden den Digitalisierungsindex des BMWK und vergleichen dabei die Indexwerte aus den Jahren 2020 und 2021.
Konnte die Coronapandemie als Treiber und Beschleuniger in Erscheinung treten?
Notwendige Unterscheidung von Digitalisierungsaspekten
Digitalisierung lässt sich schwer ganzheitlich betrachten und bewerten, deshalb ist eine Unterteilung in interne und externe Aspekte sinnvoll. Zu den internen Digitalisierungsaspekten gehören bspw. Prozesse, Geschäftsmodelle oder Produkte, während externe Aspekte unter anderem rechtliche Rahmenbedingungen, technische Infrastruktur oder das Humankapital sind.
Externe Aspekte – Infrastrukturelle Entwicklung schreitet voran
Damit interne Aspekte im digitalen Bereich überhaupt wachsen können, müssen die externen Gegebenheiten dazu erstmal vorhanden sein. Die technische Infrastruktur hat sich in Deutschland seit Beginn der Pandemie insgesamt verbessert. Als Beispiel lässt sich hier die gesteigerte Breitbandkonnektivität anführen, auch im europäischen Vergleich schneidet Deutschland hier gut ab. Es besteht zwar weiterhin ein klarer Gap zwischen ländlichen und städtischen Gebieten, aber die Versorgung mit schnellem Internet hat sich erfreulicherweise verbessert.
Dennoch wäre ein Ausruhen auf den kürzlich erzielten Erfolgen fatal – besonders im ländlichen Bereich muss die Entwicklung hier weiter vorangetrieben werden. Ein Indexwachstum um 16 Punkte (alle folgenden Punktwertungen beziehen sich auf den Vergleich der Digitalisierungsindizes 2020 & 2021) ist insgesamt aber ein solider Wert, welcher hoffentlich 2022 noch weiter gesteigert werden kann.
Im Bereich der administrativ-rechtlichen Rahmenbedingungen ist leider keine positive Entwicklung zu erkennen. Vor allem in der öffentlichen Verwaltung herrscht weiterhin zu viel Bürokratie und es werden zu wenig digitale Angebote gemacht. Dies erschwert Unternehmen die Entwicklung im digitalen Bereich zusätzlich, denn der rechtliche Rahmen hemmt zu häufig die Innovationsmöglichkeiten. Ein Minus von einem Punkt im Indexwert ist die logische Folge.
In den Bereichen Gesellschaft (+12), Humankapital (+16) und Innovationslandschaft (+6) steigen die Werte dagegen. Die Akzeptanz für digitale Angebote wächst, Unternehmen steht vermehrt digitale Kompetenz zur Verfügung und auch die Unternehmensgründungen mit digitalen Geschäftsmodellen mehren sich.
Interne Aspekte – Prozesse werden immer digitaler
Vor allem die Digitalisierung von Prozessen ist im letzten Jahr gewachsen. In Zahlen lässt sich das über den um 21 Punkte gewachsenen Indexwert belegen. Die digitale Vernetzung ist hierbei ein wichtiger Faktor. Zum Beispiel in der Beratungsbranche ist die Notwendigkeit des digitalen Kundenkontakts stark gestiegen. Das konkrete Ergebnis sind unter anderem Beratungsprojekte, welche ganzheitlich digital durchgeführt werden. Auch bei ARKADIA macht sich diese Entwicklung im Arbeitsalltag stark bemerkbar, sei es durch die vermehrte Videokommunikation im Kundenkontakt oder in vollständig digital abgebildeten Workshopformaten.
Weiterhin hat die Coronakrise auch auf Geschäftsmodelle Einfluss. Ganze Branchen wurden durch die stark veränderten Rahmenbedingungen auf den Kopf gestellt und gerieten mit bestehenden Geschäftsmodellen unter Druck. Die Digitalisierung ist in diesem Bereich im Jahr 2021 allerdings nur leicht gestiegen (+2 Punkte). Grund dafür könnte vor allem sein, dass überhaupt die Möglichkeit gegeben sein muss, ein Geschäftsmodell gewinnbringend in den digitalen Bereich überführen zu können. Zum Beispiel in der Tourismusbranche oder im verarbeitenden Gewerbe stehen Unternehmen hier vor sehr schweren und teilweise unlösbaren Herausforderungen.
Während Produkte (+9 Punkte) sowie Forschungs- und Innovationsaktivitäten (+5 Punkte) sich gesamtheitlich betrachtet digital entwickeln konnten, bereitet der Aspekt Qualifizierung derzeit Grund zur Sorge. Hier ist ein deutlicher Rückgang um 13 Punkte ermessen worden. Dies weist auf ein klares Defizit in der digitalen Aus- und Weiterbildung in deutschen Unternehmen hin. Diese Entwicklung kann mindestens als erstaunlich, wenn nicht sogar als fahrlässig bewertet werden, in Anbetracht auf den enormen wirtschaftlichen Druck, den die Coronakrise auf eine Vielzahl an Branchen ausgeübt hat und voraussichtlich weiterhin ausüben wird.
Fazit und Ausblick
Die Wirtschaft in Deutschland ist im Jahr 2021 insgesamt digitaler geworden. Die Coronapandemie hat sicher ihren Teil dazu beigetragen und dringend notwendige Veränderungen mit voller Wucht angestoßen. Sobald die Pandemie auf ihr Ende zugeht, wird sich zeigen, welche Entwicklungen Bestand haben werden und wo eine Rückkehr in Vor-Pandemiezeiten stattfinden wird. Das Tempo der digitalen Transformation in Deutschland könnte auch davon abhängen.
Natürlich ist eine vollständige Digitalisierung der Wirtschaft schlichtweg unrealistisch und an zahlreichen Stellen auch nicht wünschenswert. Dennoch wäre ein weiterer Schritt hin, zu mehr Digitalisierung sowohl in Bezug auf externe, als auch auf interne Aspekte erstrebenswert. Gerne dann auch ohne Einfluss einer Pandemie.
https://de.statista.com/infografik/18365/digitalisierungsgrad-der-eu-laender-nach-desi-index/
Jan Philipp Berger
Bei ARKADIA seit 2021