
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere in der Krankenhauslandschaft, gilt als ein zentraler Schritt, um Effizienz, Qualität und Patientensicherheit nachhaltig zu verbessern. Doch während viele Unternehmen und Organisationen in anderen Branchen erhebliche Fortschritte gemacht haben, bleibt die Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern oft hinter den Erwartungen zurück. Ein wesentlicher Grund: die komplexen und oft schwerfälligen bürokratischen Anforderungen.
In diesem Artikel beleuchten wir die bürokratischen Hürden, die den Fortschritt hemmen, und analysieren, wie Krankenhäuser und ihre Partner diese Herausforderungen meistern können.
Der Status quo der Digitalisierung in Krankenhäusern
Krankenhäuser stehen unter immensem Druck, ihre Prozesse zu digitalisieren. Die Anforderungen reichen von der Einführung elektronischer Patientenakten (ePA) über digitale Medikamentenverwaltung bis hin zu KI-gestützten Diagnosesystemen. Gleichzeitig stellt die Bundesregierung Fördermittel wie das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) bereit, um den digitalen Wandel zu unterstützen.
Doch trotz dieser Bemühungen gibt es erhebliche Lücken:
• Unzureichende digitale Infrastruktur: Viele Krankenhäuser verfügen noch nicht über die notwendige technische Ausstattung.
• Fragmentierte Systeme: Eine Vielzahl an Softwaresystemen und Standards erschweren die Interoperabilität.
• Hohe Verwaltungslast: Die bürokratischen Anforderungen zur Beantragung und Abrechnung von Fördergeldern sind zeitintensiv und ressourcenintensiv.
Bürokratie als zentraler Hemmschuh
Die Bürokratie im deutschen Gesundheitssystem ist ein altbekanntes Problem. Im Kontext der Digitalisierung ergeben sich hieraus jedoch spezifische Herausforderungen:
1. Komplexität bei der Beantragung und dem Abruf von Fördermitteln
Das KHZG stellt zwar 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung, doch der Weg zu diesen Geldern ist alles andere als einfach. Krankenhäuser müssen umfangreiche Anträge einreichen, die detaillierte Nachweise über geplante Projekte, Nutzen und Wirtschaftlichkeit enthalten. Der Nachweis der zuwendungsgebundenen Verausgabung muss anschließend analog mittels Unmengen an Papierhaften Belegen und Berichten geliefert werden. Insgesamt erschweren somit besonders folgende Aspekte den Mittelantrag und -abruf:
- Zeitfaktor: Die Antragstellung bindet oft wertvolle Kapazitäten des Managements und der IT-Abteilungen.
- Spezialisierte Expertise erforderlich: Ohne externe Beratung sind die Anforderungen für viele Häuser kaum zu bewältigen.
- Verzögerungen bei der Mittelbewilligung: Selbst bei vollständigen Anträgen kann es Monate dauern, bis die Gelder freigegeben werden – teilweise werden Zusagen für Förderprojekte so kurzfristig erteilt, dass kaum Zeit bleibt die notwendigen internen Ressourcen bereitzustellen
2. Anforderungen an den Datenschutz
Der Datenschutz ist im Gesundheitswesen besonders sensibel. Strenge Vorgaben, etwa durch die DSGVO, machen die Einführung digitaler Systeme zu einer rechtlichen Gratwanderung.
- Unsicherheiten in der Auslegung: Häufig herrscht Unklarheit darüber, wie bestehende Datenschutzgesetze in digitalen Anwendungen umzusetzen sind.
- Langwierige Genehmigungsprozesse: Projekte müssen oft von mehreren Gremien und Behörden geprüft werden, was zu erheblichen Verzögerungen führt.
- Personalmangel: Die Datenschutz-Stabstellen sind oft mit nur sehr wenigen Personen besetzt, die wiederum für Unmengen an Datenschutzeinschätzungen verantwortlich sind
3. Fehlende Standardisierung
Ein weiteres Problem ist die fehlende Standardisierung in der Krankenhaus-IT. Jeder Anbieter verfolgt eigene Ansätze, und ein einheitliches Regelwerk, das Interoperabilität sicherstellt, existiert bislang nur in Ansätzen.
- Abstimmungsprozesse: Krankenhäuser müssen häufig individuell mit verschiedenen Softwareherstellern, Behörden und Partnern Lösungen abstimmen.
- Wiederholte Prüfungen: Da keine einheitlichen Standards vorliegen, werden digitale Systeme immer wieder von Grund auf evaluiert.
Die Folgen für Krankenhäuser
Die bürokratischen Hürden in der Digitalisierung haben weitreichende Konsequenzen:
- Verpasste Chancen: Fördergelder bleiben ungenutzt, weil Krankenhäuser die Anforderungen nicht rechtzeitig erfüllen können – Ironie des Schicksals: werden Fördermittel nicht vollständig abgerufen, kann dies zu Haushaltskürzungen führen.
- Überlastung des Personals: Verwaltungsaufgaben lasten zunehmend auf ohnehin ausgelastetem Klinikpersonal.
- Verzögerte Projekte: Digitalisierungsvorhaben kommen langsamer voran, was die Versorgungsqualität der Häuser langfristig beeinträchtigen kann.
Ansätze zur Überwindung der bürokratischen Hindernisse
Trotz der Herausforderungen gibt es Möglichkeiten, die Bürokratie zu bewältigen und den Weg für eine erfolgreiche Digitalisierung zu ebnen.
1. Effizienteres Fördermittelmanagement
Krankenhäuser können spezialisierte Berater oder externe Dienstleister hinzuziehen, um die Beantragung und Verwaltung von Fördermitteln zu optimieren.
- Automatisierte Prozesse: Softwarelösungen können helfen, Anträge effizienter zu verwalten.
- Schulungen und Wissensaustausch: Ein besseres Verständnis der Anforderungen und Prozesse kann Zeit und Ressourcen sparen.
- Portfolio Steuerung: Statt alle Mitarbeitenden der Querschnittfunktionen via ad-hoc-Bearbeitung „alles gleichzeitig“ bearbeiten zu lassen, können Projektcluster dabei helfen ein strategisch steuerbares Portfolio zu erstellen und zu administrieren
2. Interdisziplinäre Zusammenarbeit und politischer Dialog
Ein kontinuierlicher Dialog zwischen Krankenhäusern, Behörden und Softwareanbietern ist entscheidend, um gemeinsame Standards zu schaffen und Bürokratie abzubauen.
- Pilotprojekte fördern: Modellprojekte können helfen, Prozesse zu standardisieren und bewährte Praktiken zu etablieren. Der Innovative Secure Medical Campus am UK Bonn ist hierfür ein hervorragendes Beispiel (www.ukbonn.de/ismc)
- Digitale Behördendienste: Die Einführung digitaler Plattformen für Anträge und Genehmigungen könnte den Prozess erheblich beschleunigen.
3. Fokus auf Interoperabilität und Standards
Die Etablierung von einheitlichen Standards ist ein entscheidender Schritt. Initiativen wie der „FHIR-Standard“ (Fast Healthcare Interoperability Resources) können dabei unterstützen, die Komplexität zu reduzieren.
Ein Blick in die Zukunft
Trotz der bürokratischen Herausforderungen gibt es Grund zur Zuversicht. Förderprogramme wie das KHZG legen die Grundlage für eine zukunftsfähige Krankenhauslandschaft. Gleichzeitig werden immer mehr innovative Technologien und Partnerschaften entwickelt, um die Prozesse zu vereinfachen. Leuchtturmförderprojekte wie der Innovative Secure Medical Campus (ISMC) am UK Bonn (www.ukbonn.de/ismc) können als Modellprojekt helfen, Innovationen zu erforschen und sie anschließend in der Breite klinisch zu skalieren.
Fazit:
Die Digitalisierung der Krankenhauslandschaft bietet immense Chancen, doch bürokratische Anforderungen stellen eine erhebliche Herausforderung dar. Der Schlüssel liegt in einer engen Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, Behörden und Technologiepartnern, um bürokratische Prozesse zu verschlanken und den digitalen Wandel effektiv voranzutreiben – und in dem unermüdlichen Engagement der zahlreichen Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachkräften, die tagtäglich neben der Patientenversorgung auch noch das Gesundheitswesen digital transformieren.

Frederik Schnettler
Zertifizierungen: Scrum Master, Product Owner
Bei ARKADIA seit 2019