Der neue Kundenservice ist kein Kundenservice

Als Kunde eines Unternehmens erwarte ich, dass mir geholfen wird, wenn ich Hilfe oder Auskunft benötige. Am liebsten rund um die Uhr und an jedem Tag der Woche – denn selbst ein Anliegen am Samstagabend um 22:00 will auch gelöst werden. In einem solchen Fall ist es eher die Ausnahme als die Regel, dass noch jemand persönlich erreichbar ist, schon gar nicht in großen Konzernen. Stattdessen werden Selfservice-Möglichkeiten oder gar „immer freundliche“ Chat-Assistenten angeboten. Wo aber fängt schlechter Service an und hört guter Service auf?

Status Quo – Und am Ende war der Kundenservice

Der Kundenservice tritt in Unternehmen oft nur in Erscheinung, wenn etwas an anderer Stelle nicht so funktioniert, wie es eigentlich sollte. Die Anliegen können von einer einfachen Auskunft, bis hin zu handfesten Beschwerden reichen. In letzterem Fall ist es besonders ärgerlich, wenn etwas mit dem Produkt oder der Dienstleistung nicht stimmt und das Anliegen nicht durch den Service gelöst werden kann.

Wie kann es aber dazu kommen, dass teils in Weltkonzernen, ein Kundenservice nicht auskunftsfähig ist oder nicht weiterhelfen kann? Zur Beantwortung dieser Frage muss zunächst aus der Perspektive des Unternehmens betrachtet werden, wann ein Kundenservice notwendig wird.

Gerade in Pilotprojekten, in welchen neue Techniken verprobt oder neue Produkte getestet werden, kann sich in den ersten Monaten nach Launch noch Sand im Getriebe der Kundenserviceeinheiten befinden. Dies liegt darin begründet, dass in solchen Projekten zunächst einmal die Technik und die Produkte stehen müssen – denn ganz salopp gesagt „Ohne Technik und Produkte, die funktionieren und den Kunden erreichen, wird ein Kundenservice auch nicht benötigt.“

Da man besonders in der agilen Produktentwicklung dem Kunden bereits Minimum Viable Products (MVP) zur Verfügung stellt, um Produkte oder Dienstleistungen mit dem Kundenfeedback weiterzuentwickeln, kann es vorkommen, dass die Kundenservice-Prozesse ebenfalls noch auf ein Minimum reduziert sind. Die Folge: In einigen Fällen kann es sein, dass der Kundenservice nicht einmal weiß, worum es genau geht und wie das Problem gelöst werden kann.

Der Übergang vom manuellen zum automatisierten Service

In Testphasen oder Pilotprojekten werden neue Produktportfolios oder Techniken in der Regel einem nur kleinen Kundenkreis zugänglich gemacht. Dadurch, dass die Reichweite kontrolliert wird, kann einem hohen Beschwerdeaufkommen entgegengewirkt werden. Wie bereits erwähnt sind die Kundenserviceprozesse zu solchen Zeitpunkten noch von manuellen Workarounds geprägt oder die Serviceagenten müssen den Kunden mit Unterstützung von Excellisten weiterhelfen.

Das Paradoxon: Funktioniert der Workaround, kann dieser schnell zum langfristig gelebten Prozess werden. Das ist weder für den Kunden zufriedenstellend noch für den Kundenservice ein Dauerzustand. Ein Zielbild sollte im Allgemeinen sein, den Service weitestgehend zu automatisieren, Prozesse einfach zu gestalten und die Serviceagenten zu befähigen, auch komplexe Anliegen lösen zu können.

Die Entwicklung zum Selfservice – Weg vom konventionellen Service

Ein erster Schritt, Kundenanliegen automatisiert zu bearbeiten, kann in Richtung Selfservice sein. Zu den populärsten Selfservice-Elementen gehören unter anderem FAQs, Infoboxen und dynamische Popups, Chatbots und Hilfe-Communities.

Die populärsten Selfservice-Elemente in der Übersicht:

  • FAQs: Frequently Asked Questions bilden die wichtigsten und von Kunden am häufigsten gestellten Fragen, inkl. einer Beantwortung ab.
  • Infoboxen und dynamische Popups: Die Unterstützung wird dem Nutzer an jeder Stelle der Customer Journey angeboten und kann bei Bedarf in Anspruch genommen werden. Infoboxen und dynamische Popups, geben dem Nutzer explizite Zusatzinformationen, für den Touchpoint, an welchem sich dieser derzeit befindet. So kann ein Nutzer beispielsweise über eine Schritt-für-Schritt-Anleitung automatisiert geführt werden.
  • Chatbots: Chatbots sind interaktive Hilfestellungen, welche den Nutzer im Rahmen eines Chatdialogs zur passenden Lösung führen oder bei Nichtlösung des Anliegens an einen 2nd-Level-Support weiterleiten.
  • Hilfe-Communities: Das Prinzip ist einfach – Kunden helfen Kunden. Die Fragen werden in einer Art Forum von den Kunden gestellt und von der Community, bestehend aus anderen Kunden, auch beantwortet.

Die hier aufgeführten Service-Elemente haben eines gemeinsam – es werden zur Entgegennahme und Bearbeitung des Kundenanliegens keine Ressourcen aus dem Kundenservice benötigt.

Ein gut aufgesetztes Selfservice-Konzept kann also zu Effizienzsteigerungen sowohl auf Kundenseite als auch in der Service-Einheit führen. Die Kunden verschwenden keine Zeit mehr damit, einige Minuten in einer Hotline zu verweilen, nur um ein einfaches Anliegen zu klären. Auch ist ein Selfservice nicht mehr an Arbeitszeiten gebunden und Anliegen können 24/7 bearbeitet und gelöst werden.

Positive Effekte eines Selfservice auf den 2nd-Level-Support

Service-Einheiten können durch den Einsatz von Selfservice-Elementen profitieren und entlastet werden. In der Endkonsequenz werden die Serviceagenten weniger durch leicht zu lösende Kundenanliegen vereinnahmt. Hier sei erwähnt, dass es oft eine Sperrzeit gibt, in welcher der Serviceagent nach einem Telefonat, keinen neuen Anruf entgegennehmen darf. So stauen sich bei hoher Auslastung die Fälle und das Servicelevel sinkt. Ein Selfservice-Konzept, spielt demnach auch auf die Ressourcenplanung der Service-Einheiten ein, sodass hier mehr Zeit für die Bearbeitung von komplexen Anliegen frei wird.

Fazit: Die Vorteile von Selfservice und 2nd-Level-Support vereinen

Ausgehend von einer Erwartung des Kunden, rund um die Uhr einen Service in Anspruch nehmen zu können, sollte jedes Servicekonzept im 1st-Level-Support einen Selfservice berücksichtigen. So werden bereits einfache Kundenanliegen von komplexen selektiert und bestenfalls schon gelöst. Diese Selektion kann den nachliegenden 2nd-Level-Support massiv entlasten. Hier ist es wichtig, dass dem Kunden ein Experte zur Seite steht, welcher in der Lage ist, auch komplexe Anliegen zu lösen. Dies hebt nicht nur das unternehmensinterne Servicelevel, sondern auch die Kundenzufriedenheit.

Der Anspruch eines Unternehmens sollte es dennoch sein, es gar nicht erst zu Servicefällen kommen zu lassen. Da dies in der Praxis jedoch kaum umsetzbar ist, hilft ARKADIA Ihnen gerne dabei, aufkommenden Servicefällen durch Umsetzung individueller Servicekonzepte entgegenzuwirken.

Robin Haertel

Zertifizierungen: Scrum Master, Product Owner, PRINCE 2

Bei ARKADIA seit 2018