Digital Patient Journey

Die Alarmglocken der Krankenhauswelt haben in den vergangenen Jahren oft geläutet. Das ist auf die vielen Herausforderungen – auch unabhängig von der Pandemie – zurückzuführen: Die steigende Anzahl an komplex Erkrankten sowie die durch demografischen Wandel verstärkte Personalknappheit. Gemeinsam mit der sinkenden Zahl an aktiven Beitragszahlern stehen die Krankenhäuser unter zunehmendem ökonomischen Druck. Last but not least leidet das deutsche Gesundheitssystem unter der lückenhaften Digitalisierung.

Deutschland hat einen auffallend geringen Digitalisierungsgrad im europäischen Vergleich

Darüber hinaus steigen die Qualitäts- und Dokumentationsanforderungen, was den Arbeitsaufwand und die Belastung des medizinischen Personals noch weiter steigert. Heute fühlen sich schon 42 Prozent des medizinischen Personals überlastet und dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Bis 2030 fehlen voraussichtlich 182.000 Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Es steht außer Frage, dass die Kombination von überlasteten Mitarbeitern und die wachsende Komplexität der Krankheiten zu menschlicher Unachtsamkeit und schließlich zu Fehlern führt.

Erhöhte Digitalisierung wird menschliche Unachtsamkeit signifikant reduzieren

Um ein reibungsloses Ergebnis in den digitalen Prozessabläufen zu erreichen und Informationsverluste an Schnittstellen innerhalb des Prozesses zu vermeiden, muss die Digitalisierung ganzheitlich umgesetzt werden. Im Gesundheitswesen verwendet man dafür den Begriff der digitalen Patientenreise bzw. Digital Patient Journey.

Die ganzheitliche Patient Journey kann in fünf Teilbereiche eingeteilt werden. Hier gilt es, jeden Teilbereich als auch die ganzheitliche Journey digitaler und damit effizienter zu gestalten:

Einweisung

Die Einweisung erfolgt über einen niedergelassenen Arzt oder über die Notaufnahme. Je nach Art der Einweisung unterscheidet sich die Ausführlichkeit der Datenlage beziehungsweise der relevanten Dokumente. Der Informationsaustausch im Rahmen der Einweisung kann über unterschiedliche analoge und digitale Kommunikationswege erfolgen. Die enorme Heterogenität der Patientendaten und die unterschiedlichen Kommunikationswege können zu Informationsverlusten sowie zu Missverständnissen führen.

Digitalisierungsansatz: Die elektronische Patientenakte (ePA) fungiert als zentrale Datenbasis. Die ePA erhält standardisiert und strukturiert die patientenspezifischen Daten und steht dem befugten medizinischen Personal bereits bei der Einweisung zur Verfügung.

Patientenaufnahme

Aufnahmerelevante Dokumente werden teilweise bei der Einweisung erfasst, elektronisch übertragen oder sogar händisch von Patienten mitgebracht. Grundsätzlich gibt es in diesem Bereich wenig Standardisierung. Durch aktuell mangelnde Koordination und manuelle Abläufe bei der Erfassung von benötigten Dokumenten erhöhen sich der Arbeitsaufwand für das Personal sowie die Wartezeiten für die Patienten.

Digitalisierungsansatz: Durch einen standardisierten und digitalen Aufnahmeprozess können alle benötigten Dokumente bereits vor der Behandlung vollständig erfasst werden. Hierbei kann ein (Vorabend-) Check-in via Website oder App den Aufnahmeprozess komplett digitalisieren und zudem den Patienten erinnern, welche Dokumente notwendig sind.

Diagnostik

Bei der Diagnostik müssen die notwendigen Untersuchungen am Patienten durchgeführt sowie die vorliegenden Informationen ausgewertet werden. Die unterschiedlichen Wege der Diagnostik, die unvollständige Datenlage sowie die Heterogenität der Erkrankungen können zu unterschiedlichen Diagnosen führen.

Digitalisierungsansatz:  Digitale KI-gestützte Lösungen können auf Grundlage der Daten dem behandelnden Arzt bei der Diagnose der Erkrankung unterstützen. Diese „Clinical Decision Support Systems“ erkennen Anomalien und Muster in den Daten um ein Vielfaches schneller und genauer und können einen strukturierten sowie standardisierten Befund vorschlagen.

Therapie

Die Herausforderung an dieser Stelle ist, dass unterschiedliche Ärzte entsprechend ihrer Spezialisierung dem Patienten verschiedene Therapieansätze empfehlen. Darüber hinaus wird der Informationsaustausch zwischen Ärzten durch mangelhafte und analoge Kommunikationswege erschwert. Die patientenspezifischen und therapierelevanten Informationen liegen oftmals nur unstrukturiert oder sogar unvollständig vor.

Digitalisierungsansatz:  Hier bietet die weitere Erforschung des „Digitalen Zwillings“ eine Möglichkeit, verschiedene Therapieansätze miteinander abzuwägen und die optimale Therapie für jeden Patienten zu empfehlen. Dieser digitale Zwilling ermöglicht es den Ärzten und Gesundheitsdienstleistern, eine umfassende Sicht auf den Zustand des Patienten zu erhalten und komplexe medizinische Informationen leichter zu erklären. Mit dem Digital Twin können Ärzte zudem verschiedene Behandlungsszenarien simulieren und deren potenzielle Auswirkungen auf den Patienten analysieren, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

Pflege

Pflegepläne können durch die Einbindung vieler verschiedener Akteure (Ärzte und Pfleger) sehr komplex – im schlimmsten Fall sogar fehlerhaft – sein. Die Mitarbeitenden in der Pflege sind häufig physisch und psychisch überlastet.

Digitalisierungsansatz: Die Digitalisierung sollte als Werkzeug betrachtet werden, um das Pflegepersonal zu unterstützen, die Patientenversorgung zu verbessern und letztendlich das Wohlbefinden sowohl der Pflegekräfte als auch der Patienten zu fördern. Pflegekräfte können bspw. auf mobile Anwendungen zugreifen, um Patientendaten, Behandlungspläne und medizinische Informationen schnell und einfach abzurufen. Dies erhöht die Effizienz und ermöglicht eine bessere Organisation des Pflegeprozesses. Weiterhin ermöglicht der Einsatz von Technologien wie elektronischer Patientendokumentation, automatisierter Terminplanung und Arzneimittelverabreichung eine Zeitersparnis für die Pflegekräfte, um sich besser auf die direkte Pflege der Patienten konzentrieren.

Zusammenfassend wird deutlich

Die Digital Patient Journey muss ganzheitlich digitalisiert werden, um Medienbrüche und damit Datenverluste von Vorhinein verhindern zu können. Dafür müssen Voraussetzungen zur Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität der sensiblen Daten berücksichtigt sowie die höchsten IT- und Cybersicherheits-Standards befolgt werden. Es lässt sich festhalten, dass eine durchdachte Digital Patient Journey:

  • Die Transparenz steigert und Fehler minimiert
  • Ein effizientes Ressourcenmanagement ermöglicht
  • Gesundheitskosten nachhaltig senkt

Quelle:

https://www.dw.com/de/prognose-deutschland-droht-prek%C3%A4rer-pflegenotstand/a-59983333

Jan Eilrich, (2019) „Digitalisierungsrücksand deutscher Krankenhäuser: Bilanz und Ursachen“

Markus Stratmann ARKADIA Management Consultants GmbH
Markus Stratmann
Partner, Gründer & Geschäftsführer bei ARKADIA Management Consultants GmbH

Bei ARKADIA seit 2009